Online ist nicht Präsenz. Und das ist gut so.
In den letzten Wochen habe ich immer wieder darüber nachgedacht, was Online-Meetings mit uns und unserer Kommunikation machen. Denn auch wenn ich vieles dafür tue, dass Online-Meetings für alle Beteiligten so angenehm wie möglich sind: Es wird nie so sein, als würden wir uns gemeinsam in einem Raum aufhalten.
Und hier kommt meine steile These: Das ist auch gut so.
Online ist nicht Face-to-Face und sollte es auch nicht sein. Warum? Weil die Präsenz uns anders kommunizieren, verhalten und erleben lässt. Gleichzeitig bietet uns die Online-Kommunikation aber auch völlig neue Möglichkeiten, die wir in Präsenz nicht haben.
In diesem Beitrag möchte ich erklären, warum Online eben nicht Präsenz ist, wie wir uns von der Idee lösen können, dass es so sein muss und wie wir dennoch, vor allem mit unserem körperlichen Verhalten und unseren Gesten, das Beste aus Online-Begegnungen herausholen können.
Was unsere Online-Kommunikation so besonders macht
In der realen Welt begegnen wir anderen Menschen, indem wir sie sehen, hören und berühren. Absichten und Gefühle werden durch Gesten, Mimik, Körperhaltung und körperlichen Ausdruck vermittelt. Wir teilen uns die Welt, weil wir mit unserer Umgebung interagieren und gemeinsame Aufgaben ausführen können.
Online werden Aspekte unserer verkörperten Interaktionen verändert und manchmal eingeschränkt:
Bildschirme und Mikrofone vermitteln uns nur eine Repräsentation der anderen Person – nicht die Person selbst. Technische Störungen und Zeitverzögerungen unterbrechen die Kommunikation. Bei Zoom ist der visuelle Zugang meist auf Kopf und Schultern beschränkt. Dieser eingeschränkte Bildausschnitt verhindert eine ganzheitliche Wahrnehmung der körperlichen Ausdruckskraft.
Unsere eingeschränkte Bewegung vor dem Bildschirm limitiert den Zugang zur Vitalität und zum Stil des Gegenübers. Bei mehreren Teilnehmenden ist es schwierig, Richtung und Orientierung von Körperbewegungen und Gesten zu erkennen. Die gemeinsame Interaktion mit physischen Objekten entfällt weitgehend. Und wir werden uns unserer Selbstdarstellung überbewusst, da wir unser eigenes Verhalten in Echtzeit beobachten können.
Online ist also nicht offline. Punkt.
Warum das völlig okay ist
Meine These: Wir sollten nicht in die Falle tappen zu denken, dass Online-Kommunikation nur dann wertvoll ist, wenn sie persönliche Treffen perfekt nachahmt und ersetzt.
Wenn wir Online-Begegnungen nur danach beurteilen, ob sie ein guter Ersatz für echte Treffen sind, übersehen wir etwas Wichtiges: Wir verpassen kreative und neue Wege, wie wir uns online begegnen können.
Wenn wir aufhören, Online-Kommunikation als reinen Ersatz zu sehen, können wir sie neu denken. Dann können wir digitale Tools fordern und gestalten, die nicht einfach Offline-Interaktionen nachahmen, sondern völlig neue Arten unterstützen, einander zu begegnen.
Dass wir statisch vor einem Bildschirm sitzen, ist übrigens kein notwendiges Merkmal von Online-Meetings, sondern vielmehr die derzeitige normative Praxis. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, riesige Bildschirme an Wänden zu installieren, die die gesamte Körperbewegung erfassen würden. Das würde uns von den Zwängen unserer Stühle befreien und freie Bewegung im Raum ermöglichen.
Soweit sind wir noch nicht. Bleiben wir also dabei, was wir nutzen können um Online nicht wie Offline erscheinen zu lassen, aber um einige unserer Schwierigkeiten zu minimieren.
4 praktische Tipps, um Ihre Online-Meetings zu verbessern
Tipp 1: Nutzen Sie verschiedene Layout-Optionen
Ein größerer Ausschnitt von uns macht uns in unserer Körperlichkeit auch dem Gegenüber sichtbarer. Wir bleiben zwar zweidimensional, aber man sieht mehr von uns.
In Präsentationen teilen wir oft den Bildschirm: Die Folien sind nun groß sichtbar, aber wir rutschen als kleines Fenster in die obere Ecke.
Meine Empfehlung: Nutzen Sie die verschiedenen Layout-Versionen, die Zoom oder Teams bieten. Ordnen Sie die Folien neben sich an oder fügen Sie sie als Hintergrund ein. Sie bleiben sichtbar und Ihre Folien, Notizen oder Bilder, die Sie teilen wollen, bleiben trotzdem präsent.
Tipp 2: Vergrößern Sie Ihren Bildausschnitt
In Meetings, in denen wir den Bildschirm nicht teilen, ist der Ausschnitt oft nicht optimal. Normalerweise sehen wir „Talking Heads“: nur den Kopf, vielleicht bis zur Schulter des Gegenübers. Der Rest des Körpers verschwindet. Das empfinden wir als merkwürdig, denn in Präsenz sehen wir mehr: die Person auf dem Stuhl, am Tisch, die Tiefe des Raumes, eventuell andere Personen drumherum.
Meine Empfehlung Wenn möglich, vergrößern Sie den Ausschnitt so, dass Sie mindestens bis zur Bauchmitte sichtbar sind. Ihr Körper wird wieder sichtbarer, vermittelt mehr Eindruck von Ihnen und spielt wieder eine größere Rolle. Schöner Nebeneffekt: Ihr Gesicht wird kleiner und Sie fühlen sich vielleicht weniger beobachtet.
Tipp 3: Gestikulieren Sie natürlich
Lassen Sie mehr Platz auf dem Bildschirm für Ihren Körper, schlagen Sie gleich noch eine andere Fliege mit der Klappe: Sie lassen Platz für die Bewegungen des Körpers und vor allem der Hände. Sie können gestikulieren, die Gesten sind für die anderen sichtbar und können Ihre Rede gut unterstützen.
Meine Empfehlung: Gestikulieren Sie nicht extra hoch, damit die Gesten besonders sichtbar sind. Ist der Ausschnitt zu klein, neigen wir dazu, die Hände besonders prominent in die Kamera zu halten. Das können Sie manchmal tun, aber nicht die ganze Zeit. Und es ist auch nicht notwendig.
Denn Studien zeigen: Unser Gegenüber nimmt unsere Gesten auch wahr und schätzt sie als relevant ein, wenn sie nicht ganz sichtbar sind, sondern vielleicht nur mal kurz hineinfliegen.
Denn ganz ehrlich, das passiert auch oft in Präsenz. Eine Person sitzt vor der anderen, die Hände sind nicht ganz sichtbar. Es ist also kein Problem, wenn die eine oder andere Geste nicht zu 100% zu sehen ist. Relevant und für die anderen hilfreich ist sie dennoch.
Tipp 4: Setzen Sie Gesten bewusst ein
Wenn Sie etwas besonders bildlich erklären wollen, dann nutzen Sie Gesten bewusst. Bewegen Sie Ihre Hände – sofern Sie nicht bis zum Oberkörper sichtbar sind – in den Gestenraum vor Ihrem Körper und etwas höher.
Aber tun Sie das nicht die ganze Zeit! Unser normaler Gestenbereich ist vor dem Bauch. Nach oben heben wir die Hände nur, wenn wir etwas besonders hervorheben wollen: weil es groß ist oder besondere Bedeutung hat. Daher fühlt es sich auch manchmal so komisch an, wenn wir Gestik extra in Online-Meetings einsetzen und besonders sichtbar machen: Wir tun etwas, was wir sonst nicht tun.
Fragen Sie sich also, wenn Sie nur in kleinem Ausschnitt sichtbar sind:
- Will ich mit meiner Geste etwas besonders unterstreichen und illustrieren?
- Ist meine Geste besonders hilfreich für das Gegenüber?
- Ist sie für meine Idee zentral?
Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, dann gehen Sie die extra Meile, um die Hände sichtbar zu machen. Wenn nicht, dann nutzen Sie den normalen Gestenraum.
Fazit: Online-Meetings gestalten
Online-Kommunikation ist anders als Präsenz – und das darf sie auch sein. Statt zu versuchen, Face-to-Face-Begegnungen perfekt zu imitieren, sollten wir die Eigenheiten des digitalen Raums anerkennen und produktiv nutzen.
Mit ein paar bewussten Anpassungen (einem größeren Bildausschnitt, natürlicher Gestik und dem gezielten Einsatz von Bewegung) können wir Online-Meetings zu einem Raum machen, der seine eigene Qualität hat. Nicht als Ersatz für Präsenz, sondern als eigenständige Form der Begegnung.
Interessiert daran, wie Gestik nicht nur in Online-Meetings unterstützt, sonder auch bei Präsentationen in Präsenz? Dann lesen Sie hier gern rein.
